In der Gemeinde Neuhofen wurde in Kooperation mit dem Gasversorger Thüga ein Pilotprojekt gestartet, das die Umstellung des Erdgasnetzes in einem ausgewählten Wohngebiet auf 100 % Wasserstoff vorsieht. Ein entsprechender Antrag für dieses Vorhaben wurde über das Klimaförderungsprogramm KIPKI gestellt, aber nicht bewilligt. Das Vorhaben soll nach Aussagen von Herrn Bürgermeister Marohn auf der Informationsveranstaltung zum Quartierskonzept und Nahwärmekonzept am 7. Mai 2024 trotzdem weiter verfolgt werden.
Im Gemeinderat bleiben bis heute viele Fragen unbeantwortet, wie beispielsweise die Herkunft des Stroms für die Wasserstoffgewinnung, die Notwendigkeit für Anwohner*innen neue Heizungen zu erwerben, die mögliche Errichtung eines Betriebsgeländes durch Thüga, mögliche Kosten für die Gemeinde und weitere Unklarheiten.
Der Grüne Ortsverband kritisiert das Projekt insbesondere wegen der mangelnden Berücksichtigung wissenschaftlicher Fakten. Eine Studie des Fraunhofer IEE in Kassel hat den Einsatz von Wasserstoff im zukünftigen Energiesystem, insbesondere in Bezug auf die Gebäudewärmeversorgung, untersucht und mit der direkten Nutzung von elektrischem Strom in Wärmepumpen verglichen. Die Herstellung von Wasserstoff mittels Strom verursacht erhebliche Verluste und geht mit einem beträchtlichen Energieverlust einher. Für die private Wärmeversorgung ist eine Wärmepumpe 5 bis 6 mal effektiver. Weiter verliert man durch die notwendige Kompression des Wasserstoffs, um ihn in Gaszylindern transportieren zu können je nach Enddruck nochmals 7-12% des Energieinhalts von Wasserstoff. Eine Verdichtung des Wasserstoffs ist erforderlich, um ihn wirtschaftlich transportieren zu können. Unter atmosphärischem Druck und Temperaturen beträgt die volumetrische Dichte von Wasserstoff in Gasform 0,09 kg/m³. Das bedeutet, dass viel Platz für die Speicherung des Gases benötigt wird – was in der Praxis einfach nicht effizient ist. Bei einer Verdichtung auf 250 bar beträgt die Dichte ca 20 kg/m³, man bekommt also in das gleiche Volumen das 222-fache an Wasserstoff. Das hat aber seinen Preis, die Verdichtung von Wasserstoff frisst viel Energie.
Der Straßentransport muss energetisch ebenso betrachtet werden sowie der Aufwand zur Einspeisung selbst. Bis der Wasserstoff im Erdgas eingespeist ist, ist mehr als die Hälfte der für seine Erzeugung aus erneuerbaren Quellen aufgebrachte Energie wieder verbraucht.
Quelle: Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis Nr. 1, 15. Jg., April 2006 Seite 27
Zitat aus o.g. Artikel „Wasserstoff ist lediglich ein Energieträger, dessen Herstellung, Verteilung und Nutzung enorm viel Energie verschlingt. Selbst mit effizienten Brennstoffzellen kann man nur ein Viertel des ursprünglichen Energieinputs zurückgewinnen. Langfristig wird man Wasserstoff elektrolytisch mit Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugen. Da sich Strom über Leitungen sehr effizient verteilen lässt, kann Wasserstoff den Wettstreit mit seiner Ursprungsenergie nie gewinnen. Aus physikalischen Gründen hat eine Wasserstoffwirtschaft keine Chance.“ Auch der häufig propagierte Gedanke überflüssigen Strom in Wasserstoff umzuwandeln ist unrealistisch. Dafür werden hochkomplexe Chemieanlagen benötigt.
Das Fazit lautet: Wasserstoff als Energiequelle ist dort sinnvoll, wo keine wirtschaftlichen Alternativen existieren. Nach den Erkenntnissen des Grünen Ortsverbandes ist der Einsatz von Wasserstoff zur dezentralen Gebäudewärmeversorgung aus Kosten- und Effizienzgründen nicht ratsam und stellt keine geeignete Klimaschutzmaßnahme dar. Eine Versorgung mit Nah- oder Fernwärme oder Wärme durch eine eigene Wärmepumpe ist ökologisch und finanziell deutlich nachhaltiger und sollte von der Politik vorangetrieben werden. Endverbraucher*innen sollten über die fehlende Wirtschaftlichkeit von Wasserstoffheizungen für das eigene Zuhause informiert werden. Stattdessen wird durch das Projekt des Ortsbürgermeisters der falsche Eindruck einer günstigen, nachhaltigen Heizmöglichkeit mit wenig Aufwand erweckt. Sollte die Umstellung von Gas auf Wasserstoff in diesem Wohngebiet kommen, wären die Anwohner*innen jedoch gezwungen bis zu einem Stichtag ihre Gasheizungen in eine wasserstofffähige Heizung umrüsten oder austauschen zu lassen oder auf eine andere nachhaltige Heizart umzusteigen – das ist unrealistisch und würde die Endverbraucher*innen überfordern. Der Grüne Ortsverband plädiert daher dafür, die kommunale Wärmeplanung der Verbandsgemeinde zügig abzuschließen und dann den Ergebnissen entsprechend faktenbasiert zu handeln. Bis dahin sollten die Bürger*innen über Maßnahmen wie beispielsweise im Bereich Dämmen oder Photovoltaikanlagen informiert und durch Fördermöglichkeiten bei der Umsetzung unterstützt werden.